Erwachsenenschutz
Die meisten erwachsenen Personen können bei Problemen selbst eine Lösung finden. Oder aber sie erhalten Hilfe vom Familien- oder Freundeskreis. Reicht diese Form der Unterstützung nicht aus und können auch niederschwellige Angebote nicht helfen, kommt das Erwachsenenschutzrecht zum Zug. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB unterstützt die Betroffenen. Dank des Erwachsenenschutzrechts können zudem gesunde Menschen für ihre Zukunft vorsorgen.
Erklärfilm Erwachsenenschutz (KESB Kanton Luzern)
Selbstbestimmung
Wir alle haben das Recht, unser Leben selbstbestimmt zu gestalten. Wir entscheiden folglich selbst, wo und wie wir wohnen, bei welcher Krankenkasse wir versichert sein möchten und wie wir unser Geld ausgeben. Wenn wir dabei an Grenzen stossen, können wir uns beraten lassen, zum Beispiel bei einem Sozialdienst, dem Treuhanddienst der Pro Senectute, bei einer Suchtberatungsstelle oder bei einer Schuldenberatung.
Wie helfen Betroffene von psychischen Erkrankungen anderen Betroffenen weiter?
Diese und andere Fragen beantwortet Martin Born von Pro Mente Sana:
Urteilsfähigkeit und Handlungsfähigkeit
Um die oben beschriebene Selbstbestimmung wahrnehmen zu können, müssen wir volljährig und urteilsfähig sein. Jede Person ist urteilsfähig, wenn sie vernünftig handeln und entscheiden kann. Folgende Gründe können dazu führen, dass eine Person rechtlich gesehen als urteilsunfähig angesehen wird: Das Alter (Kindesalter, aber auch das hohe Alter kann zu einer Urteilsunfähigkeit führen), geistige Behinderung, psychische Störung, Rausch oder ähnliche Zustände (vgl. Art. 16 ZGB).
Heutzutage verfassen viele Erwachsene einen Vorsorgeauftrag für den Fall der Urteilsunfähigkeit. Gibt es im Fall einer Urteilsunfähigkeit keinen Vorsorgeauftrag, vertreten Angehörige die Interessen der betroffenen Person oder aber die KESB bestimmt eine Beiständin oder einen Beistand.
Vertretung durch Angehörige
Viele Paare erleben, wie der Partner oder die Partnerin im hohen Alter die Urteilsfähigkeit verliert. Dieser Zustand kann aber auch schon früher eintreten, etwa durch eine Krankheit oder einen Unfall. Der Ehegatte oder die eingetragene Partnerin haben im Fall der Urteilsunfähigkeit ein Vertretungsrecht (Art. 374 ZGB). Dadurch werden die Interessen der betroffenen Person gewahrt und deren grundlegenden Bedürfnisse befriedigt. Bei medizinischen Massnahmen haben auch weitere Angehörige wie Kinder, Eltern oder Geschwister, ein Vertretungsrecht (Art. 378 ZGB).
Solange Angehörige die nötigen Aufgaben erfüllen, unternimmt die KESB nichts. Die KESB wird erst tätig, wenn keine Angehörigen vorhanden sind, oder wenn die Angehörigen keine Zeit haben, sich um die hilfsbedürftige Person zu kümmern.
Die Urteilsunfähigkeit kann vorübergehend oder dauerhaft sein, das Vertretungsrecht hat daher keine festgelegte Zeitdauer.
Vorsorgeauftrag
Was passiert mit mir, wenn ich urteilsunfähig werde? Mit dem Vorsorgeauftrag (Art. 360 ff. ZGB) haben alle volljährigen Personen die Möglichkeit, von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch zu machen und diese Frage zu regeln. In einem Vorsorgeauftrag bestimmt man insbesondere, wer einen im Fall einer Urteilsunfähigkeit vertreten soll. Dies kann eine nahestehende Person oder auch eine Institution sein. Der Vorsorgeauftrag regelt persönliche Angelegenheiten (Personensorge) und Fragen zur Unterbringung, Betreuung und Pflege. Es geht aber auch um finanzielle Angelegenheiten (Vermögenssorge) oder rechtliche Fragen (Rechtsverkehr).
Wer einen Vorsorgeauftrag machen will, kann sich beraten lassen (z.B. durch Pro Senectute oder bei einem Notar). Der Vorsorgeauftrag muss von Hand geschrieben, datiert und unterschrieben sein, damit er gültig ist. Alternativ kann das Dokument auch von einem Notar ausgestellt werden.
Die KESB hat verschiedene Aufgaben in Bezug auf den Vorsorgeauftrag. Bei Urteilsunfähigkeit einer Person geht die KESB der Frage nach, ob es einen Vorsorgeauftrag gibt. Falls ein solcher Auftrag vorliegt, prüft die KESB, ob dieser gültig und die beauftrage Person für die zugewiesenen Aufgaben geeignet ist. Ist dies der Fall, wird der vorsorgebeauftragten Person eine Urkunde ausgehändigt, mit welcher sie sich gegenüber Dritten (Bank, Heim, etc.) ausweisen kann. Kommt die KESB zu einem negativen Entscheid, prüft sie, wie die urteilsunfähige Person auf andere Art die Unterstützung bekommen kann, die sie benötigt.
Wie schreibe ich einen Vorsorgeauftrag?
Diese und andere Fragen beantwortet Annina Spirig von Pro Senectute:
Patientenverfügung
Möchte ich lebensverlängernde Massnahmen im Fall eines Unfalls? Wie möchte ich medizinisch behandelt werden, wenn ich nicht mehr urteilsfähig bin? Diese und andere Fragen kann man in einer Patientenverfügung (Art. 370 ff. ZGB) regeln. So kann man in einer Patientenverfügung festhalten, welchen medizinischen Massnahmen man zustimmt und welche man ablehnt. Dies kann etwa eine Reanimation bei einem Herzstillstand sein. Zudem kann man eine Person bestimmen, welche die medizinischen Entscheidungen fällt (Vertretungsperson).
Es gibt verschiedene Vorlagen, zum Beispiel vom Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH. Wichtig ist, dass man sich bei Bedarf beraten lässt, beispielsweise von Pro Senectute, wenn man eine Patientenverfügung machen möchte. Die Patientenverfügung muss datiert und unterschrieben sein.
Die Patientenverfügung beginnt zu wirken, sobald die betroffene Person nicht mehr urteilsfähig ist. Daher müssen behandelnde Ärzte bei urteilsunfähigen Personen immer abklären, ob eine Patientenverfügung vorliegt. Die KESB greift bei medizinischen Massnahmen nur auf Meldung ein, was sehr selten vorkommt. So zum Beispiel, wenn sie von einer nahestehenden Person erfährt, dass medizinische Massnahmen der Patientenverfügung widersprechen oder den Interessen der betroffenen Person zuwiderlaufen.
KESB-Massnahmen
Nicht alle Erwachsenen sind in der Lage, ihr Leben und ihren Alltag selbstständig zu bewältigen. Finanzielle Probleme, Sucht oder eine psychische Störung können dazu führen, dass Erwachsene nicht oder nicht mehr handlungsfähig sind. Vielfach bringt auch das steigende Alter mit spezifischen Krankheitsbildern wie etwa Demenz grosse Herausforderungen mit sich. Haben Erwachsene in diesen Fällen kein soziales Umfeld, das sie auffängt, oder sind Familie und Freunde mit der Situation überfordert, braucht es die Unterstützung der KESB.
Die KESB hat verschiedene Möglichkeiten, um Erwachsene zu unterstützen. Das Ziel der KESB ist immer, die mildeste mögliche Massnahme zu wählen (Subsidiaritätsprinzip) und die Kompetenzen und Fähigkeiten der Erwachsenen zu ergänzen, ohne ihnen ihre Eigenverantwortung wegzunehmen (Komplementaritätsprinzip). Die Unterstützung erfolgt immer den Bedürfnissen und der Situation der betroffenen Person angepasst (Massschneiderung). Die Selbstbestimmung wird so weit wie möglich erhalten und gefördert.
In den meisten Fällen wird von der KESB eine Beistandschaft angeordnet. Mit den verschiedenen Arten der Beistandschaft kann die Massnahme an die jeweilige individuelle Situation der betroffenen Person angepasst werden.
Die KESB wird durch eine Meldung auf eine möglicherweise hilfsbedürftige Person aufmerksam. Sobald die KESB eine solche Meldung erhält, wird die Situation rund um die hilfsbedürftige Person sorgfältig abgeklärt.
Beistandschaften
Erwachsene können aufgrund des Alters, einer psychischen Störung oder sonstiger Erkrankungen den normalen Alltag nicht mehr bewältigen. Wenn Erwachsene ihren normalen Alltag auch mit Hilfe aus ihrem Umfeld nicht mehr bewältigen können, kann die KESB eine Beistandschaft anordnen. Bei dieser Massnahme wird eine Beiständin oder ein Beistand bestimmt, der sich fortan um bestimmte Aufgaben kümmert. Die Bereiche umfassen etwa die Geldverwaltung, das Wohnen, die Gesundheit oder den Kontakt mit den Behörden.
In Frage kommen Berufsbeiständinnen und Berufsbeistände, die in einem Sozialdienst angestellt sind und hauptberuflich Beistandschaften führen, Fachbeistände wie Anwältinnen oder Treuhänder mit viel Erfahrung auf einem speziellen Gebiet, oder sogenannte PriMa (private Mandatstragende), welche eine Beistandschaft als Angehörige oder im Rahmen von Freiwilligenarbeit übernehmen.
Das Wichtigste bei einer Beistandschaft ist das Vertrauensverhältnis. Daher können die betroffene Person und Nahestehende geeignete Personen auch vorschlagen (Art. 401 ZGB). Die KESB muss eine geeignete Beistandsperson ernennen, dessen Aufgaben und Kompetenzen definieren sowie dessen Arbeit überwachen.
Arten der Beistandschaften
Es gibt vier verschiedene Arten der Beistandschaft:
Bei einer Begleitbeistandschaft (Art. 393 ZGB) wird eine urteilsfähige Person auf ihren Wunsch hin beraten und unterstützt. Dies ist eine Massnahme auf sehr niedriger Stufe und die betroffene Person ist immer noch für alle Aspekte des Lebens selbst verantwortlich. Die Handlungsfähigkeit bleibt voll und ganz bestehen.
Bei der Vertretungsbeistandschaft (Art. 394 ZGB) kann die betroffene Person selbst nicht mehr alle Angelegenheiten selbst besorgen und ist auf Hilfe angewiesen. Der Beistand schliesst in diesem Fall etwa Verträge und Geschäfte für die betroffene Person ab. Normalerweise bleibt die betroffene Person auch mit der Beistandschaft voll handlungsfähig. Wenn aber die Gefahr besteht, dass sie sich damit selbst schadet oder ausgebeutet wird, kann es zu einer teilweisen Einschränkung der Handlungsfähigkeit kommen.
Bei der Mitwirkungsbeistandschaft (Art. 396 ZGB) dürfen die betroffene Person und der Beistand nur gemeinsam oder in Absprache bestimmte Geschäfte abschliessen, zum Beispiel eine Liegenschaft verkaufen. Auch diese Massnahme ist nur nötig, wenn die Gefahr droht, dass die betroffene Person ausgebeutet werden könnte.
Die umfassende Beistandschaft (Art. 398 ZGB) kommt zum Zug, wenn die betroffene Person in allen Lebensbereichen Unterstützung braucht und häufig gegen ihre eigenen Interessen handelt. In einem solchen Fall wird die Handlungsfähigkeit entzogen. Die KESB wendet diese Massnahme immer seltener an und ersetzt sie durch massgeschneiderte Massnahmen.
Die ersten drei Arten können miteinander kombiniert werden, zum Beispiel eine Begleitbeistandschaft im Bereich der Gesundheit und eine Vertretungsbeistandschaft für Finanzfragen.
Unstimmigkeiten mit der Beistandsperson
Die Beziehung zur Beiständin oder zum Beistand ist in den allermeisten Fällen unkompliziert und von gegenseitigem Respekt geprägt. Denn die Beistandschaft ist allein zur Unterstützung gedacht und soll von der hilfsbedürftigen Person auch so wahrgenommen werden. Kommt es dennoch zu Unstimmigkeiten oder gar zu einem Konflikt, ist in einem ersten Schritt das Gespräch mit der/dem Beiständin/Beistand zu suchen. Meist findet sich so eine gute Lösung. Falls dies nicht gelingt, kann sich die hilfsbedürftige Person an die KESB wenden. Zum Beispiel wenn es einen Vertrauensbruch gibt oder wenn der Eindruck besteht, dass sich die/der Beiständin/Beistand zu wenig kümmere. Wenn eine gute Zusammenarbeit absolut unmöglich erscheint, kann es bei gewichtigen Gründen zu einem Beistandswechsel kommen.
Fürsorgerische Unterbringung
Manchen Menschen geht es zeitweilig so schlecht, dass sie in eine psychiatrische Klinik oder eine andere Institution eingewiesen werden müssen. In den meisten Fällen ist es ein Arzt oder eine Ärztin, welche die sogenannte Fürsorgerische Unterbringung (Art. 426 ff.) veranlasst. In seltenen Fällen wird die KESB aktiv. Gibt es eine mildere ambulante Massnahme, dann muss erst diese ergriffen werden.
Jede eingewiesene Person hat das Recht auf eine Vertrauensperson (Art. 432 ZGB). Diese muss urteilsfähig sein und hat die Aufgabe, die betroffene Person über ihre Rechte und Pflichten zu informieren, bei all den administrativen Angelegenheiten zu helfen, ihre Anliegen weiterzuleiten und sie beim Verfahren zu begleiten.
Die betroffene Person oder eine nahestehende Person kann jederzeit die Entlassung aus der Fürsorgerischen Unterbringung verlangen, und das Gericht muss ohne Verzug entscheiden. Falls die Unterbringung länger als 6 Wochen dauert, muss die KESB regelmässig überprüfen, ob die Bedingungen für eine stationäre Betreuung noch immer erfüllt sind und die Massnahme somit noch angemessen ist.